Donnerstag, 18. September 2008

Wieder Mal Servus aus La Paz

Meiner Zeit wie immer ein gutes Stueck zurueck aber doch gewollt euch ueber alles Wichtige hier in Bolivien zu benachrichtigen, habe ich mir nun endlich mal wieder Zeit genommen, in meinen Blog zu schreiben. Anfangen moechte ich da, wo ich vor ca. 2 Wochen aufgehoert habe: mit unserer 'Massenpilgerung' nach Copacabana. Vorriges Wochenende fuhren wir naemlich, wie schon erwaehnt, zusammen mit der ganzen Fundacion, d.h. insg. 2000 Leute, inkl. Personal, Voluntaere, Strassenkinder, Heimkinder, Familien, Muetter - einfach alle Projekte, zu dem kleinen aber weltbekannten Kuestenort am Titicacasee. Ganze 30 Omnibusse starteten am Samstag Morgen jenes Wochenendes von La Paz aus Richtung Titicacasee. Nun kann man sich auch vorstellen, dass ein soches Wochenende - so idyllisch die Kulisse bzgl. Natur und Landschaft auch sein mag - doch ganz schoen anstrengend, um nicht zu sagen fast ¨Der Tod¨ ist, wenn man fuer eine Horde Kinder, so wie es ein jeder von uns Voluntaeren war, verantwortilch ist; das bedeutet, jedem Mitarbeiter der Fundacion Arco Iris wurden ca. 5 Benificiarios (dt. Hilfsbeduerfige) zugeteilt, auf die er rund um die Uhr aufpassen musste, sogar im Schlaf. Jedenfalls muss man sich erstmal die Dimension einer solchen Massenveranstaltunge vorstellen, sowohl im organisatorischen als auch finanziellen Sinne; nun ist es wohl meines Achtens fast schon eine logistische Meisterleistung, 2000 Menschen, darunter viele auf unterstem sozialen Niveau, in einem kleinen bolivianischen Dorf mit vllt. gerade einmal 500 Einwohnern unterzubringen und zu verpflegen - und trotzdem klappt dies jedes Jahr (die Pilgerung findet jedes Jahr statt) aufs Neue wieder erstaunlich gut. Um eine halbwegs adaequate Vorstellung von der Situation zu bekommen, fuehre man sich doch einfach mal den Chiemsee Reggae-Summer vor Augen, auf den ich ja dieses Jahr leider verzichten musste... also ein guter Ersatz ;)
Das Programm unserer Pilgerung war am Samstag sehr religioes gepraegt. Es fing an mit einem Gottesdienst in der beruehmten Basilika von Copacabana, danach gab es Mittagessen, spaeter dann hab ich mir mit nem Kollegen ein wenig Auszeit gegoennt, gechillt bei einer kuehlen Coke den Sonnenuntergang ueber dem Titicacasee reingezogen und so gegen ca. 20 Uhr fand dann der eigentliche Kern der gesamten Veranstaltung statt: Die Pilgerungs-Prozession in Form einer Nachtwanderung, wobei Jeder eine Laterne in der Farbe seines Projekts mit sich fuehrte - ein unbeschreibliches Szenario. Nach jener Prozession und viel Sinnlichkeit gab es dann eine mega fette Party im Kolusseum von Copacabana - mit viel Reggaeton, Perreo und krass vielen Menschen. Unser Projekt konnte bei einem Tanzwettbewerb mit einem beeindruckenden Salsa-Act uebrigens den 3. Platz ergattern; Preis war zwar nur ein *Basketball*, aber dafuer kann ich jetzt auch Salsa tanzen, was eigentlich gar nicht so schwer ist als man denkt, lediglich ein paar einfache Schritte und v.a. viel viel Sexymovimiento.
Nachdem der Padre persoenlich uns Voluntaere noch zu einem Midnight-Dinner mit Pizza und Vino Cliente einlud, ging es dann nach einem wahnsinnig anstrengenden Tag relativ frueh ins Bett, wobei das Wort Bett hier eher weniger als mehr zutrifft. Nun, ich schlief mit 2 weiteren Betreuern und 25 Kindern zusammen in einem stockduesternen Loch, das vllt. gerade mal die Groesse des 'Hobbyraums' hatte, somit schliefen wir eher uebereinander als nebeneinander und auch hatten wir keine Betten, sondern lediglich Heusaecke. Der Sonntag verlief aber dafuer umso entspannter; herrlicher Sonnenschein, Kanufahren, Eisessen und mein persoenlich absoluter Hoehepunkt: zusammen mit nem Freund aus dem Projekt auf einer 175 ccm Motocross um den Titicacasee heizen, fast bis nach Peru... einfach nur hammergeil. Da kommen fast wieder heimatliche Gefuehle auf und ich vermisse mein Baby, das in meiner Garage ein Jahr auf mich wartet.
Nach dem Mittagessen ging es dann auch gleich wieder Heim mit dem Bus, in der letzten Reihe natuerlich, mit Ghettoplaster und Dembow-Beat, ueber das Altiplano zurueck nach La Paz.
Fazit: Krasser Trip, mal was ganz Anderes, so wie ich es noch nie zuvor erlebt habe, hammer anstrengend, aber mit Spass verbunden und nahezu unwirklichen Bildern, die mir so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen werden.
Aber nun Mal was ganz Anderes, eher weniger Erfreuliches. Vielleicht sind Manchen von Euch folgende Infos schon aus den deutschen Nachrichten bekannt. Seit einigen Tagen befindet sich Bolivien naemlich in einer politischen Krise und es herrschen buergerkriegsaehnliche Zustaende in einigen Teilen des Landes. Der Kontext ist folgender: Letzte Woche verwies der bolivianische Praesident Evo Morales den amerikanischen Bootschafter des Landes, worauf die westlich orientierten Tieflandregionen Boliviens (v.a. Pando und Santa Cruz) ihre Autonomiebestrebungen wiederaufnahmen. Seitdem liefert sich das bolivianische Militaer derbe Strassenschlachten mit jenen Unabhaengigkeitsgruppen aus dem Sueden des Landes. Im Departamento La Paz ist es zwar im Moment noch erstaunlich ruhig, aber die Lage spitzt sich auch hier immer mehr zu. Beispielsweise Gestern war wegen einer Massendemonstration die gesamte Autobahn von La Paz nach El Alto gesperrt. Manche Botschaften, u.a. die venezolanische, haben schon Ausgangssperren fuer ihre Landesbuerger verhaengt, was ich aber als uebertrieben empfinde. Hier bei uns im Stadtteil Alto Obrajes, wo ich ja lebe und arbeite, bemerkt man nichts von der Krise. Und auch die eher weniger akute Gefahr eines landesweiten Buergerkrieges sinkt zunehmend, zumal heute in der Tageszeitung schon Verhandlungsbemuehungen zwischen den Konfliktparteien angezeigt waren.
Also, kein Grund zu tieferen Bedenken und Themawechsel.
Dieses Wochenende war ich wieder weg, von Samstag auf Sonntag, Heim kamen wir Morgens um halb 10, nachdem wir unsere Party-Tour mit einem grandiosen Fruehstueck im Ritz-Hotel abgeschlossen hatten... Fruehstuecksbuffet fuer grade mal 3 Euro; das bleibt aber auch bei einer einmaligen Sache.
Sonst gibt es eigentlich nicht viel Neues. Ich mache Fortschritte mit der Gitarre, der Schenkeloeffner ist in Arbeit und kommendes Wochenende gibt es einen Ball von der Fundacion, wo wir uns als Tunten verkleiden muessen... ich wuenschte der Raffa waere hier.
Also das wars dann schon wieder und ich melde mich, ihr wisst schon !!!

Aaales klar und biiiis Dann,

Ciao, Sebi

Dienstag, 2. September 2008

Da geht sich so Einiges...

Hallo Leude,

was spezielles hab ich heute nicht zu erzaehlen und es gibt auch nix Neues von irgendwelchen romantischen Inseln und Verlobungen. Nein, heute moechte ich viel mehr von ganz alltaeglichen Dingen erzaehlen, vom bolivianischen Volk und von meinem Leben hier in Bolivien. Dazu hab ich auch ein paar anschauliche und sehenswuerdige Fotos.

Also, fuers erste moechte ich mal mit dem bolivianischen Fussball beginnen. Ich war naemlich am Samstag zum zweiten Mal bei einem Heimspiel meiner No. 1 Mannschaft hier in Bolivien:
"Bolivar La Paz". Am Samstag hat es zwar leider nur zu einem 0-0 gereicht, aber dennoch bleiben wir auf dem 2. Tabellenplatz, dicht hinter dem Tabellenfuehrer "Real Potosí".
Die Stimmung hier im ¨Siles-Estadium¨ ist zwar lang nicht so geil wie bei uns in der Allianz-Arena, aber es lohnt sich echt, zumal der Eintritt ins Stadion hier nur 1.50 Euro kostet und nicht wie bei uns uebertrieben viel. Auch muss man sagen, dass der bolivianische Fussball weit von unsrem Bundesliganiveau entfernt ist und eher an Kreisligaspiel erinnert, da manche Spieler den Ball hin uns wieder sinnlos in irgendeine Richtung kicken. Darueber hinaus endet hier fast jedes Spiel mit mindestens einem Platzverweis, 8 Verletzten (welche mit einem Golfwagen vom Spielfeld abtransportiert werden) und einem Schiedsrichter, der nach einem Spiel und ca. 70% Fehlentscheidungen von Sicherheitspolizisten begleitet das Spielfeld verlaesst. Ehrlich gesagt ist der bolivianische Fussball Chaotismus pur, wie eben auch das Volk in diesen Breitengraden.
Hier ein Bild von unsrem Fussballstadion in La Paz:
Was doch durchaus erstaunt, ist, dass sich das Stadion fast mitten im Zentrum der Stadt befindet. Somit fuehlt sich der Eintritt in dieses Stadion fast wie der Eintritt in eine andere Welt an, oder der Uebertritt von der "Dritten Welt" in die internationale Welt des Fussball.

Auch ist es nur ausserst selten der Fall, dass das Stadion (wie hier auf dem Bild zu sehen) komplett voll und ausverkauft ist. Dies ist naemlich nur bei Lokalderbys so. Bei sonstigen Spielen wirkt der Ort nahezu wie ein Geisterstadion, da vielleicht gerade einmal 6000 Zuschauer anwesend sind.

Ich werde auf jeden Fall ab jetzt immer dabei sein, in der Nordkurve und in Bolivar-Dress:


Aber jetzt wird es endlich mal Zeit, das Thema zu wechseln und ueber das zu sprechen, was mir hier zunehmend mehr auffaellt: Der Bolivianische Nationalismus. Dieser Nationalismus bzw. Patriotismus ist naemlich so verblueffend, dass es sich durchaus lohnt, ueber in zu berichten. Es handelt sich hierbei um ein nationales Zusammengehoerigkeitsgefuehl, wie es bei uns seit einstig dunklen Zeiten nicht mehr existiert. Es gibt hier quasi keinen Ort, an dem man die rot-gelb-gruene Landesflagge nicht erspaehen kann. Sogar die Bluete der bolivianischen Nationalpflanze traegt diese Farben. Darueber hinaus finden hier staendig irgendwelche Umzuege statt, bei denen die Unabheangigkeit von Spanien oder Sonstiges zelebriert wird; bei irgendwelchen Ligaspielen wird die bolivianische Nationalhymne gesungen und die bolivianische Volksmusik toent aus fast allen Ecken und Autos. Schon den Kindern wird in der Schule patriotisches Denken beigebracht. So las ich kuerzlichst in einem bolivianischen Geschichts-Schulbuch in Etwa folgendes: "Nach mittlerweile ueber 129 Jahren ohne Meerzugang, ist es nun unsere Pflicht, mit allen Mitteln darum zu kaempfen, uns den rechtmaessigen Zugang zum Meer von den Chilenen zurueckzuholen." Abgesehen davon wuerde ich dieses Nationalgefuehl jedoch nicht unbedingt als negativ bezeichnen, nein, ganz im Gegenteil handelt es sich hierbei um eine ganz individuelle Note, die das bolivianische Volk ausmacht und die mir in Deutschland doch irgendwie abgeht.

Hier ein Foto des bolivianischen Regierungspalastes am Plaza Murillo:


Aber, um nun wieder etwas persoenlicher zu werden, moechte ich noch von meinem Wochenende erzaehlen und ein paar Fotos von unserer Gruppe zeigen. Dieses Wochenende bestand fuer mich und meine Friends wohl eher aus zwei Naechten als zwei Tagen, da wir am Samstag bis 5 Uhr auf einer hammer geilen Studentenparty waren und ich am Sonntag erst um 9 Uhr morgens ins Bett kam - Harti weiss warum ;) Somit erhole ich mich hier eher unter der Woche vom Wochenende als andersrum - aber dafuer ist man ja jung.

Hier ein Foto von mir und meinen Jungs in der Kueche unserer WG:

Von links: Daniel, Ich, Samu, mein Zimmernachbahr Fidel und der 37-jaehrige Andres.

Hier die groessten Player und Best Friends Lateinamerikas (nach Evo, Hugo und Fidel):

Ich, Samu und Fidel @Biertrinken im "69 Fuckn' Tacos"

Hier ein Bild von mir und unserer mit Abstand huebschesten Mitbewohnerin Charlie:

Verdammt: Der Blick ist mir hier deutlich misslungen!!!


Und hier noch ein Bild von Enrique Iglesias bei seinem letzten Auftritt:


Oh man, das duerfte nach dem weggehn gewesen sein, ka was da falsch gelaufen ist.

Aber so weit so gut, naechstes Wochenende werde ich mit Sicherheit nicht weggehn, da Samstag und Sonntag die grosse Peregrinación (dt. Pilgerung) mit der ganzen Fundación und 2000 Kindern nach Copacabana am Largo Titicaca stattfinden wird, ein riesen Event. Und auch jetzt muss ich ganz schnell Heim, da ich mal wieder viel zu viel geschrieben habe und es schon wieder fast 7 Uhr ist und ich noch kein Gitarre geuebt habe - ich hab naemlich Morgen meine 2. Gitarrenstunde und kann schon ¨Pobre Diabla¨ auf der Gitarre spielen.

Also dann machts mal Alle gut soweit und ich lass so bald wie moeglich wieder von mir hoeren.

´Ta lue, Sebi